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Wann gilt die AwSV? Wassergefährdende Stoffe erkennen und die Gefährdungsstufe ermitteln

Ob eine Anlage unter die AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) fällt, ist regelmäßig eine zentrale Frage für Betreiber, die Stoffe lagern, umfüllen oder anderweitig handhaben. Die Verordnung gilt ausschließlich für Anlagen, die mit wassergefährdenden Stoffen umgehen (§ 1 AwSV). Die grundlegende Definition dieser Stoffe findet sich im Wasserhaushaltsgesetz (WHG):

„Wassergefährdende Stoffe […] sind feste, flüssige und gasförmige Stoffe, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.“

§ 62 Abs. 3 WHG

Diese abstrakte Definition sorgt in der Praxis häufig für Unsicherheit. Darüber hinaus unterscheidet die AwSV noch weiter zwischen verschiedenen Wassergefährdungsklassen (§3 Abs. 1), die maßgeblich den Umfang und die Anforderungen an eine mögliche Eignungsfeststellung für eine Anlage bestimmen:

 Wassergefährdungsklasse 1 (WGK1):schwach wassergefährdend
 Wassergefährdungsklasse 2 (WGK2):deutlich wassergefährdend
 Wassergefährdungsklasse 3 (WGK3):stark wassergefährdend

Der folgende Beitrag gibt einen praxisnahen Überblick zur Einordnung von Stoffen und Gemischen in die Gefahrenklassen im Kontext der AwSV. Zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass es noch die Klasse der allgemein wassergefährdende Stoffe gibt. Diese betreffen insbesondere Stoffe aus dem landwirtschaftlichen Bereich – wie Silage, Jauche oder Dünger – und werden im folgenden Text nur flüchtig beachtrachtet. Die nachfolgende Darstellung dient ausschließlich der unverbindlichen Information. Trotz sorgfältiger Recherche kann keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernommen werden. Sie stellt keine rechtliche Beratung dar.


Fall 1: Schnelle Prüfung über das Umweltbundesamt – für bekannte Stoffe

Gemäß § 6 AwSV gibt das Umweltbundesamt (UBA) offizielle Einstufungen wassergefährdender Stoffe bekannt. Die formalen Veröffentlichungen erfolgen über den Bundesanzeiger, die Daten sind aber auch bequem über Rigoletto (externer Link) des Bundesumweltamtes zu finden.

Beispiel „Schwefelsäure“ aus Rigoletto.
Quelle: Umweltbundesamt – Rigoletto, dl-de/by-2-0 (https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0),
https://rigoletto.uba.de/ – Bildzuschnitt.

In dieser Datenbank kann durch eine einfache Suche festgestellt werden ob ein Stoff offiziell:

  • als wassergefährdend eingestuft (Kategorie WGK 1 bis WGK 3) wurde,
  • als nicht wassergefährdend eingestuft ist
  • als allgemein wassergefährdend eingestuft ist oder
  • nicht gelistet ist, bzw. keiner offiziellen Bewertung unterzogen wurde.

Eindeutig ist dabei die Verwendung der CAS-Nummer, die Suchfunktion lässt aber auch Stoffnamen und bekannte Synonyme zu. Ist ein Stoff gelistet kann dies in den technischen Unterlagen vermerkt und mit den offiziellen Angaben weitergearbeitet werden.

Praxisbeispiel

Ein Chemiekonzern möchte einen Behälter aus PE verwenden um 2 Kubikmeter technisch reines Ethylenglykol (CAS: 107-21-1) zu lagern. Eine Suche auf Rigoletto ergibt, dass dieser Stoff durch das Umweltbundesamt der WGK1 zugeordnet ist. So kann das weitere Vorgehen klar bestimmt werden.


Fall 2: Gemische

Häufig ist es Praxis, dass ein Stoff nicht in reiner Form, sondern in einem Gemisch vorliegt. Soll eine solche Anlage betrieben werden, muss die daraus resultierende Gefahr der Umwelt durch den Betreiber ermittelt werden. Die entsprechende Dokumentation ist im Rahmen der Eingungsfeststellung zwingend den Unterlagen anzufügen.

Für ein methodisches Vorgehen bietet es sich an wie folgt vorzugehen. Zunächst wird geprüft, ob ein Gemisch vom Umweltbundesamt separat eingestuft wurde.

Als nächstes sollte geprüft werden, ob überhaupt ein wassergefährdender Stoff vorliegt. Für alle folgenden Betrachtungen werden, sofern nicht anders angegeben, die Anteile aller Stoffe einer WGK addiert, wobei einzelne nicht krebserregende Stoffe mit einem Anteil von < 0,2 % nicht berücksichtigt werden. Außerdem müssen mögliche M-Faktoren, bei besonders wassergefährdenen Substanzen, brücksichtigt werden (Anlage I Satz 5.1.4). Dafür reicht es, wenn eine der folgenden Bedingungen nicht erfüllt ist (Anlage I Satz 2.2).

Sind alle Punkte erfüllt, handelt es sich um ein nicht wassergefährdendes Gemisch. Diese Feststellung ist in den technischen Unterlagen zu dokumentieren und es bedarf keiner weiteren Betrachtung der AwSV für das Betreiben der Anlage. Dies kann für Betreiber mit z. B. stark verdünnten Gemischen von sehr großem Interesse sein.

Besteht das Gemisch ausschließlich aus aufschwimmenden flüssigen und nicht wassergefährdenden Stoffen, so handelt es sich bei dem Gemisch noch immer um ein allgemein wassergefährdendes (awg) Gemisch (Anlage I Satz 3.1 und 3.3)

Sollte dies nicht erfüllt sein, ist es sinnvoll zu prüfen, ob ein Gemisch der WGK 3 (Anlage I Satz 5.2.1) zugeordnet werden muss. Es reicht, wenn eine der Bedingungen zutrifft.

Trifft dies nicht zu wird zuletzt geprüft, ob es der WGK 2 (Anlange I Satz 5.2.2) zugeordnet werden muss. Es reicht, wenn eine der Bedingungen zutrifft.

Ist auch dies nicht der Fall, muss es sich bei dem Gemisch um WGK 1 (Anlage I Satz 5.2.3) handeln.

Neben der rein quantitativen Berechnung aus den Bestandteilen kann das Gemisch auch separat beurteilt werden (Anlage I Abs 5.3), dies wird hier aber nicht weiter vertieft.

Sonderfall:
Folgende Stoffe werden als nicht wassergefährdend Betrachtet:

  1. Stoffe und Gemische, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie als Lebensmittel aufgenommen werden, und
  2. Stoffe und Gemische, die zur Tierfütterung bestimmt sind, mit Ausnahme von Siliergut und Silage, soweit bei diesen Silagesickersaft anfallen kann.
§3 Abs. 3 AwSV

Fall 3: Selbsteinstufung gemäß § 4 AwSV

Komplexer wird es für Stoffe, die nicht behördlich eingestuft wurden. Zunächst gilt nach §3 Abs 4 der AwSV: „Solange ein Stoff oder Gemisch nicht nach den Maßgaben dieses Kapitels oder nach §66 eingestuft sind, gelten sie als stark wassergefährdend“. Dies entspricht auch dem Besorgnisgrundsatz des WHG. In der AwSV wird zudem durch §4 Abs. 2.4 ermögliccht auf eine Selbsteinstufung zu verzichten, wenn ein Betreiber Stoffe „unabhängig von ihren Eigenschaften“ als Stoffe der WGK 3 betrachtet.

Möchte ein Betreiber aber eine Selbsteinstufung vornehmen, so muss er entsprechend entlastende Eigenschaften ermitteln, diese beim Umweltbundesamt einreichen und somit letztlich eine formale Einordnung des Stoffes in eine WGK herbeiführen. Untersuchungen müssen gemäß REACH bzw. OECD-Standards durchgeführt werden und das Umweltbundesamt kann nach Prüfung der eingereichten Unterlagen zusätzliche Untersuchungen oder Nachweise anfordern. Für eine Einstufung von Stoffen in eine Wassergefährdungsklasse ist in Anlage I Satz 4 der AwSV ein Vorgehen definiert.

Dafür werden vorhandene Stoffinformationen in sogenannte Vorsorgepunkte übersetzt, wobei insbesondere R-Sätze, Gefahrenhinweise (H-Sätze) nach CLP-Verordnung berücksichtigt werden. Fehlende Informationen zu Toxizität, Auswirkungen auf die Umwelt, etc. werden mit zusätzliche Vorsorgepunkte abgebildet. Durch die Summe aller Vorsorgepunkte kann dann eine Wassergefährdungsklasse ermittelt werden. Ist bei der Selbsteinstufung ermittelt worden, dass für einen Stoff Null Vorsorgepunkte vergeben werden mussten, besteht die Möglichkeit diesen gemäß Anlage I Nummer 2.1 der AwSV genauer zu untersuchen und eine Einstufung als nicht wassergefährdenden Stoff zu erreichen.

Das Ergebnis der Selbsteinstufung muss dem Umweltbundesamt über ein entsprechendes Formular (online möglich, externer Link) mitgeteilt werden (§4 Abs. 3). Nach einer Prüfung (§5) erfolgt eine formale Einstufung durch das Umweltbundesamt (§6), die dem Betreiber in Schriftform mitgeteilt und letztlich der Öffentlichkeit über den Bundesanzeiger bekannt gegeben wird.

Praxishinweis

Da die Selbsteinstufung ein langwieriger und komplexer Vorgang ist, wird in der Praxis häufig der Ausweg über §4 Abs. 2.4 gesucht. Die Anlage wird dann nach WGK 3 ausgelegt und eine Selbsteinstufung ist nicht notwendig.


Fazit

Die AwSV gilt immer dann, wenn Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen oder Gemischen betrieben werden. Eine fundierte Einstufung dieser Stoffe ist unerlässlich, um entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen. Betreiber sollten zunächst behördliche Einstufungen prüfen. Sind Stoffe nicht offiziell gelistet, sollte abgewogen werden, ob eine Selbsteinstufung sinnvoll oder die pauschale Einstufung nach WGK 3 praktikabler ist. Bei Gemischen ist insbesondere eine transparente Dokumentation sowie ein umfassendes Verständnis der Einstufungskriterien entscheidend.

Wer frühzeitig und systematisch klärt, ob ein Stoff oder Gemisch wassergefährdend ist, minimiert Aufwand sowie rechtliche Risiken und trägt aktiv zum Gewässerschutz bei.


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