Die Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU (PED) regelt das Inverkehrbringen von Druckgeräten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums. Neben den technischen Anforderungen spielt die Materialwahl eine zentrale Rolle. Doch was passiert, wenn ein Werkstoff nicht durch eine harmonisierte Norm abgedeckt ist? Hier kommt die Particular Material Appraisal (PMA) ins Spiel – eine besondere Werkstoffbewertung, die im Rahmen der Konformitätsbewertung durchgeführt werden muss.
In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über Zuständigkeiten, Ablauf, Inhalte und eine Abgrenzung zur Europäischen Werkstoffzulassung (EAM) nach Artikel 15 der Richtlinie. Wie immer bietet dieser Wissensbeitrag einen allgemeinen Überblick über das Thema und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Trotz sorgfältiger Recherche übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Aktualität oder rechtliche Verbindlichkeit der Inhalte. Bei konkreten Fragestellungen empfehlen wir die individuelle Prüfung durch fachkundige Stellen oder die zuständige Behörde.
Wann ist eine PMA erforderlich?
Die PMA ist immer dann notwendig, wenn in einem Druckgerät nach 2014/68/EU ein Werkstoff verwendet wird, der nicht:
- in einer harmonisierten europäischen Norm (z. B. EN 13121) enthalten ist,
- oder über eine Europäische Werkstoffzulassung (EAM) gemäß Artikel 15 verfügt.
In diesen Fällen muss die Eignung des Werkstoffs individuell nachgewiesen werden – durch eine PMA.
Wichtig:
Die Verpflichtung zur PMA besteht unabhängig davon, ob eine notifizierte Stelle im konkreten Konformitätsverfahren eingebunden ist. Auch bei Verfahren nach Modul A, das eine rein interne Fertigungskontrolle vorsieht, ist eine PMA durchzuführen, wenn keine genormten oder zugelassenen Werkstoffe verwendet werden.
Was ist eine PMA?
Die PMA ist eine bewertende Dokumentation, in der dargelegt wird, dass ein Werkstoff für eine definierte Anwendung innerhalb eines konkreten Druckgeräts geeignet ist.
Die Richtlinie ist an dieser Stelle weit gefasst und verlangt lediglich, dass Werkstoffe Eigenschaften aufweisen müssen, die allen nach vernünftigem Ermessen vorhersehbaren Betriebs- und Prüfbedingungen standhalten. Außerdem sollen die Werkstoffe möglichst duktil, zäh, chemisch beständig und weder durch Alterung noch durch Verarbeitungsverfahren nachteilig beeinflusst werden (Anhang I Satz 4.1, PED). Konkrete Vorgaben gibt es nicht. Dennoch existiert eine ältere Handlungsempfehlung zur PMA aus der inzwischen außer Kraft gesetzten Richtlinie 97/23/EG, die aber in der Praxis weiterhin als Orientierungshilfe dienen kann.
So befasst sich eine PMA u. a. mit:
- Der Bezeichnung und Zusammensetzung des eingesetzten Werkstoffs
- Einer Einordnung in den spezifischen Anwendungsfall
- Den für die Auslegung verwendeten Kennwerten (z. B. Streckgrenze, Zugfestigkeit, Zeitstandfestigkeit)
- Den Nachweisen, dass diese Kennwerte eingehalten werden
- Angaben zur Herstellung und Wärmebehandlung des Werkstoffs
- Chemischen Beständigkeiten
- …
Die PMA wird Teil der technischen Unterlagen und muss auf Anforderung einer Behörde vorgelegt werden können. Im Kern soll die PMA nachvollziehbar zeigen, dass ein Werkstoff sämtlichen Anforderungen der Richtlinie genügt. Das beudeutet, der Umfang der PMA ist genauso individuell wie das jeweilige Druckgerät, auf das sie sich bezieht.

Wer erstellt die PMA?
Die Verantwortung für die PMA liegt beim Hersteller des Druckgeräts und kann nicht an Dritte übertragen werden (Anhang III, PED). Auch notifizierte Stellen sind nicht befugt eine PMA auszustellen.
Je nach vorhandener Modulkategorie des Druckgeräts ergeben sich dennoch Unterschiede, die immer wieder zu Verwirrung führen können:
- Für alle Druckgeräte gilt: Der Hersteller muss die Einhaltung der Werkstoffvorschriften belegen. Dazu erstellt er die PMA (wenn nicht harmonisierte Norm oder Artikel 15 gilt). Sie ist Teil der Unterlagen die ggf. bei einer notifizierten Stelle eingereicht werden müssen (Anhang I Satz 4.2 b), PED).
- ZUSÄTZLICH bei Kategorie III & IV: Eine notifizierte Stelle muss explizit eine Bewertung des Einzelgutachtens zu den Werkstoffen vornehmen (Anhang I Satz 4.2 c), PED).
Wichtig ist, dass die PMA für jedes Druckgerät oder jede homogene Serie spezifisch erstellt wird. Sie ist nicht übertragbar auf andere Produkte, Anwendungen oder Hersteller. Es ist jedoch möglich, bei einem ähnlichen Produkt und auf die bereits erfolgte Freigabe des Werkstoffs mit entsprechenden Erfahrungswerten zu verweisen.
Falls Sie Unterstützung bei der Erstellung einer Werkstoffbewertung nach 2014/68/EU benötigen, insbesondere auch bei der Erstellung von entsprechenden Dokumentationen, begleiten wir Sie gerne praxisnah. Nehmen Sie dazu gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf!

Typische Anwendungsfälle
Beispiele, in denen eine PMA erforderlich sein kann:
- Verwendung eines kundenspezifisch entwickelten Werkstoffs, z. B. Sonderlegierungen
- GFK-Anlagen mit Kunststoffauskleidungen mit besonderen Beständigkeiten
- Die meisten thermoplastischen Bauteile
- Restposten oder ältere Werkstoffe ohne aktuelle Normreferenz
PMA vs. EAM – eine Abgrenzung
Oft wird die PMA mit der Europäischen Werkstoffzulassung (EAM) nach Artikel 15 verwechselt. Dabei handelt es sich um zwei sehr unterschiedliche Verfahren:
Merkmal | PMA | EAM |
Geltungsbereich | Einzelfall | Generelle Zulassung für viele Anwendungen |
Ziel | Nachweis der Eignung für ein konkretes Gerät | Allgemeine Anerkennung eines Materials in der EU |
Zuständigkeit | Hersteller (ggf. mit Bestätigung durch notifizierte Stelle) | Antrag durch Hersteller bei notifizierter Stelle |
Genehmigung durch EU? | Nein | Ja, durch Kommission nach positivem Bericht |
Verwaltungsaufwand | Gering bis moderat | Sehr hoch |
Gültigkeit | Gerätespezifisch | EU-weit und dauerhaft für viele Anwendungen |
Die EAM ist für Werkstoffe gedacht, die breit zum Einsatz kommen sollen – etwa neue Legierungen, Spezialkunststoffe oder neue Werkstoffverbunde. Die Eignung muss umfangreich belegt sein und ein Zulassung durch die europäische Kommision und letzliche alle Mitgliedsstaaten erfolgen. Aufgrund des hohen Aufwands und des langen Prozesses ist sie in der Praxis selten anzutreffen.
Die PMA dagegen ist alltägliches Werkzeug im Konformitätsbewertungsverfahren, insbesondere wenn Sonderwerkstoffe (z. B. nicht harmonisierte GFK- oder thermoplastische Materialien) eingesetzt werden. In der Praxis handelt es sich bei Anfragen nach einer „Werkstoffzulassung“ meist um die Einzelbewertung eines Werkstoffs für eine konkrete Anwendung. Also kurz: um eine PMA.

Fazit
Die PMA ist ein zentrales Element der Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU, wenn weder harmonisierte Normen noch zugelassene Werkstoffe nach Artikel 15 verwendet werden und ist für jedes betreffende Druckgerät durchzuführen. Hersteller kommen damit ihrer Verpflichtung nach, zu belegen, dass auch nicht standardisierte Materialien den grundlegenden Sicherheitsanforderungen entsprechen.
Im Unterschied zur EAM erfolgt die Bewertung produktspezifisch und in Verantwortung des Herstellers. Wer Druckgeräte entwickelt, plant oder herstellt, sollte die Anforderungen und Abläufe rund um die PMA genau kennen – nicht nur für die eigene Sicherheit, sondern auch zur Absicherung der rechtlichen Konformität.